SCHUND- und SCHMUTZLITERATUR
 
 

Der Begriff meinte im allgemeinen Sinne unabhängig von ihrem Inhalt alle Druckerzeugnisse, die im Westen erschienen und auf illegalem Wege in die DDR gelangt waren. Im speziellen Sinne waren damit solche Erzeugnisse gemeint, die gegen den Sozialismus hetzten, Krieg verherrlichten oder unsittlich erschienen usw. Am einfachsten war es jedoch, immer im allgemeinen Sinne zu deuten. Ein einfacher Blumenkalender konnte beispielsweise aus einem Westpaket bei der Zollkontrolle beschlagnahmt werden. Welche schädlichen Auswirkungen hätte denn dieser Kalender auf das Bewusstsein der DDR-Bürger haben können? Im Verständnis der Verantwortlichen reichte es schon allein zur Qualifizierung als Schundliteratur aus, dass auf dem Blatt des Monats Juni der 17. Tag im Gedenken an den Volksaufstand 1953 in der DDR als Feiertag in der Bundesrepublik ausgewiesen war. Völlig paradox und unverständlich kam es den DDR-Bürgern vor, dass selbst Romane von Heinrich Böll oder Günter Grass, die DDR-Verlage bereits verlegt hatten, aus Paketen oder bei Grenzkontrollen beschlagnahmt wurden. Es reichte aus, dass diese Bücher im Westen erschienen waren.

Der DDR-Führung lag das Wohl der Jugend besonders am Herzen. Diese musste deshalb auch ganz besonders vor Schund- und Schmutzliteratur geschützt werden. Zu diesem Zweck wurden an den Schulen in unregelmäßigen Abständen und selbst- verständlich unangekündigt und ohne Vorwarnung Kontrollen auf Schund- und Schmutzliteratur angeordnet und durchgeführt. Dazu musste jeder Schüler seine Mappe geöffnet auf den Tisch stellen und soweit zurücktreten, dass er sie nicht mehr berühren konnte. Wer an der Reihe war, hatte den Inhalt der Mappe vor dem Lehrer auszubreiten. In der Regel konnte nichts gefunden werden, weil die Kinder ganz einfach keine Druckerzeugnisse aus dem Westen besaßen. Oder wenn doch, dann, weil sie es eben mit der Zeit von ihren Eltern gelernt hatten, mit solchen Dingen vorsichtig zu sein. Manchmal wurde allerdings doch etwas gefunden, in der Regel jedoch selten etwas, was den Begriff Schund- und Schmutzliteratur wirklich verdient und die folgenden Maßnahmen gerechtfertigt hätte. Mal war es ein Micky-Maus-Heft, mal eine Bravo, schlimmstenfalls ein Tarzanheft. Egal, es war „schlimm“ genug, musste protokolliert und gemeldet werden. Der Klassenleiter hatte daraufhin einen Elternbesuch zu machen und die Eltern zu agitieren, dass diese Literatur dem Kind nur schade. Dabei spielte es keine Rolle, ob er diesen „Fall“ persönlich auch so problematisch sah oder nicht, es war seine Pflicht.