Der Intershop, auch nur kurz Shop genannt, war eine staatlich kontrollierte Handelseinrichtung, in der jeder, der im Besitz von Devisen war, im westlichen Ausland produzierte Waren einkaufen durfte. Rein theoretisch traf das lediglich auf Bürger kapitalistischer Staaten zu, die in der DDR privat zu Besuch waren oder als Tourist das Land bereisten. Ein Bürger der DDR wurde ja mit Ostgeld entlohnt und damit konnte er überall im Land einkaufen. Nur nicht im Intershop. Wozu auch, er war doch ein Ostbürger.
In Wirklichkeit sah es deutlich anders aus. Die Bevölkerung insgesamt besaß tatsächlich Unsummen von Devisen. Da schmuggelten mutige Omas bei der Rückkehr vom Besuch im Westen das eine oder andere Scheinchen an der Grenzkontrolle vorbei, oder die Westverwandten, die sich nicht davor fürchteten, die östlichen Familienmitglieder in regelmäßigen Abständen zu besuchen, ließen ein paar Scheine zurück. In einigen Familien häuften sich die Devisen derart, dass sie als Zweitwährung genutzt wurde. Für Westgeld legten Verkäuferinnen bereitwillig einem Kunden alles zurück, was zum Sortiment Mangelware gehörte. Jeder Fliesenleger, Maler oder Maurer ließ sich bedeutend schneller und leichter für private Arbeiten anheuern, wenn das Bittgesuch mit DM bekräftigt und weitere Zielprämien gleicher Währung in Aussicht gestellt wurden. Und so kam es, dass begehrte Handwerker in der Regel auch reichlich Westgeld besaßen. Der Besitz allein nützte allerdings wenig. Das Geld wollte ausgegeben werden. Irrtum, das Geld sollte ausgegeben werden, waren sich die DDR-Machthaber einig, denn sie brauchten die Devisen dringend, um die Wirtschaft aufrecht und den Staat am Leben zu halten. Und so erfanden sie ganz clever den Intershop.
Damit ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Devisen abzuschöpfen und der allgemeinen Unzufriedenheit entge- genzuwirken. Wenigsten der Unzufriedenheit der Devisenbesitzer.
Wer das richtige Geld besaß, dem wurde der Intershop zu einer selbstverständlichen, ja wenn nicht sogar alltäglichen Einkaufsstätte. Brauchte man Kaffee, Schokolade, Strumpfhosen oder Jeans, kein Problem, das alles gab es im Intershop. Hatte der Ort keinen solchen aufzuweisen, war das auch kein Problem, man fuhr eben bei nächstbester Gelegenheit in einen Ort mit "Shop". So einfach war das.
Wer nicht das richtige Geld besaß oder zu wenig davon, der konnte natürlich keine Routine aufweisen. Meist blieb es dabei, dass er mal „reinschaute“, um wahrzunehmen, was er denn alles hätte kaufen können, wenn er über Devisen verfügen würde.
Nicht nur Kinder, sondern auch die Erwachsenen waren schon allein vom Anblicken der Waren fasziniert. Die bunten Farben und teuren Materialien der Verpackung waren nun mal sehr verlockend für jemanden, der nur an Behelfsverpackungen und Eintönigkeit gewöhnt war. Dass dieser "Flitter" vielleicht nicht so gut für die Umwelt war, darüber machte sich kein Intershopkunde ernsthaft Gedanken.
Ein Shopbesuch war nicht nur ein Erlebnis für die Augen sondern auch für die Nase. Schon beim Betreten des Ladens strömte einem ein wunderbarer frischer Duft entgegen. Waschmittel, Seife, Parfüm, alles duftete durcheinander und betörte die Sinne. Welch ein Erlebnis!
Gehen wir heute in unsere „Shops“, so riecht es durchaus auch angenehm, aber es ist nicht das Erlebnis, wie wir es aus den Intershops in Erinnerung haben. Sind unsere Nasen jetzt an diesen Geruch gewöhnt oder sind sie vielleicht abgestumpft? Oder gehörte es damals etwa zur Verkaufsstrategie, ein geöffnetes Paket Persil unter den Ladentisch zu stellen, damit dieser Duft sich entfalten und Kunden anlocken konnte?
Noch ein ganz persönliches Erlebnis:
Als Kind und Jugendlicher war ich leidenschaftlicher Numismatiker. Alle Verwandten und Bekannten waren beauftragt, die Augen nach alten oder neuen Münzen für mich offen zu halten. Und so wurde ich auch regelmäßig versorgt. Wie sich das für einen Sammler gehört, wurden die Exponate geordnet, ständig begutachtet usw. Irgendwann entdeckte ich, dass die finnischen Münzen, die ich von einem Westonkel geschenkt bekommen hatte, noch relativ neueren Datums waren. Welch ein Glück für einen jungen Lehrling, der täglich auf dem Weg zur Arbeit an den Düften des Intershops vorbei muss! Das war die Gelegenheit für einen ansonsten nicht über Westgeld verfügenden DDR-Bürger, auch einmal stolz an der Kasse zu stehen und Geld gegen Ware zu tauschen.
Meine Frage, ob man denn auch mit finnischem Geld einkaufen könne, wurde grundsätzlich bejaht. Ich nannte die Finnmarksumme und wollte wissen, welchen Gegenwert sie denn in DM hätte. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es 1,50 DM. Für ein paar Kaugummis hätte es gereicht. Ich hielt der Verkäuferin meine Geldstücke unter die Nase und forderte meinen Kaugummi. Die blonde Dame langte jedoch ein bedrucktes Blatt unter dem Ladentisch hervor, warf einen kurzen Blick darauf und dann einen langen auf mich. Schließlich teilte sie mir hochnäsig mit, dass die vorgelegten Geldstücke veraltet und wegen einer Abwertung nur noch den zehnten Teil wert waren. Meine vermeintlichen 1,50 DM waren zu 15 Pfennig geschrumpft. Für diesen Wert gab es jedoch im Shop nichts zu kaufen, nicht mal einen halben Kaugummi. Mein Gott war das peinlich. Die zahlreichen Kunden, die ungeduldig hinter mir in der Schlange standen und über richtiges Geld in ausreichender Höhe verfügten, sahen das genauso. |